Trophäenjagd und Justiz: Skurrile Jagdgesetze

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Wildbiologin Karoline Schmidt kritisiert, dass auch die Allgemeinheit bei der Trophäenjagd zur Kasse gebeten wird.

Wildbiologin Karoline Schmidt kritisiert, dass auch die Allgemeinheit bei der Trophäenjagd zur Kasse gebeten wird.

Es ist für viele von uns eine etwas befremdliche Vorstellung: Zu Weihnachten, dem Fest der Geburt, bekommt ein Jäger einen Abschuss geschenkt, eine Trophäenjagd. Er wird sich über das zweifellos teure Geschenk freuen. Aber bedanken wird er sich dafür bei der Allgemeinheit nicht einmal in Gedanken – obwohl wir alle zur Trophäenjagd kräftig zuzahlen.

Denn in Österreich landen Trophäenjäger oft vor dem Verwaltungsgericht. Nicht weil sie ein Tier einer geschützten Art erlegt haben, sondern einen Hirsch oder Rehbock der falschen Altersklasse, oft nur ein Jahr zu jung oder zu alt. Halten Sie das für Jagdinterna, für Nichtjäger unwichtig und langweilig? "Wenn die Bürger wüssten, was diese Verfahren den Staat kosten, wären sie sehr erstaunt", meint eine Landesgerichtspräsidentin.

Noch mehr erstaunen die skurrilen Jagdgesetze, die zu diesen Verfahren führen: Sie verpflichten den Jäger bereits vor dem Schuss, zweifelsfrei erkennen zu können, ob der anvisierte Hirsch noch nicht fünf oder schon mindestens zehn Jahre alt ist. Doch das genaue Alter lässt sich erst am toten Tier feststellen, an einem aufgeschnittenen Zahn unter dem Mikroskop. Einige Hundert Hirschzähne werden jährlich so untersucht.

Der Jäger gleicht einem Türsteher, der die Ausweise der Gäste erst bei Verlassen des Klubs kontrollieren kann und dennoch für den Einlass von Minderjährigen bestraft wird. Beschwert er sich über diese widersinnige Regelung, rät ihm der Gesetzgeber, eben nur jenen Gästen Zutritt zu gewähren, die optisch zweifelsfrei alt genug sind. Für einen Klub aber, der dem Jugendkult huldigt, wäre das kein sinnvoller Vorschlag. Allerdings: Wer die Gäste persönlich kennt, ist Konkurrenten gegenüber im Vorteil – und an der Beibehaltung der paradoxen Regelung interessiert.

Ein Ungehorsamsdelikt

Als alt erkennbar ist der Hirsch erst mit dreizehn oder mehr Jahren, wenn sein Geweih wieder schwächer wird. Einen Fehlabschuss vermeiden können Jäger, wenn sie ausschließlich optisch zweifelsfrei junge oder alte Hirsche erlegen. In einer Sozietät aber, die dem Trophäenkult huldigt, ist das keine praktikable Lösung. Trophäenjäger haben eine libidinöse Beziehung zu Geweihen und wollen sich diese auf dem Höhepunkt der Entwicklung aneignen. Hirsche sind gemäß Jagdgesetz ab dem zehnten Lebensjahr erntereif. Die Krux: Da sind sie bereits seit etwa drei Jahren in der Blüte ihres Lebens. Für diese Lebensjahre kann selbst ein erfahrener Jäger das genaue Alter eines Hirsches nicht erkennen. Das kann er nur, wenn er den Hirsch gleichsam persönlich kennt, weil der seit Kalbesalter jeden Winter an der Fütterung steht.

Jäger, die einen ihnen "fremden" Hirsch erlegen, dessen Geweih, Körper und Verhalten ein anderes Alter vermuten lassen, als die Zähne preisgeben, begehen ein Ungehorsamsdelikt, das die Jägervertretung mit einer Geldbuße ahndet. Verständlich, dass viele Beschuldigte dagegen Beschwerde einlegen. Sind sie erfolglos, entrichten sie dem Verwaltungsgericht als Beitrag zu den Verfahrenskosten 20 Prozent der verhängten Strafe (die der Jägerschaft gezahlt wird), und falls das Straferkenntnis aufgehoben wird, nicht einmal das.

Dem unbedarften Nichtjäger stellt sich die Frage: Warum müssen hochrangige Juristen, warum muss die an Geld und Personalmangel leidende Justiz ihre knappen Ressourcen in den Dienst der Trophäenjagd stellen, um ein Gesetz durchzusetzen, das dem gesunden Menschenverstand völlig fern ist?

Geweihfokussierte Jagd

Seit etwa hundert Jahren zelebriert die Jagdlobby einen Geweihfetischismus, belobigen Jagdfunktionäre die Zucht von Erntehirschen und -böcken mit starken Geweihen und inszenieren deren penible Bewertung bei den quasireligiösen Trophäenschauen. Deren Umbenennung in "Hegeschau" ändert nichts an der Zielsetzung. In allen Bundesländern, außer demnächst Wien, ist die Teilnahme verpflichtend. Spätestens da wird die Altersfrage gestellt. Ja, es ist gut, wenn die Alterspyramide nicht zu flach ist und es auch altes Wild gibt. Doch was die Gralshüter der Trophäenjagd in den Jagdgesetzen "biologisch richtigen Altersklassenaufbau" nennen, orientiert sich weniger an der Biologie als vielmehr pedantisch an der Ideologie der Geweihstärkenmaximierung.

Wie anders sollte man diese Tiroler Bejagungsrichtlinie interpretieren: "Beidseitige Kronenhirsche (…) und solche Hirsche, deren Geweihe die nach der Punktebewertung für den betreffenden Lebensraum durch die bezirksweise eingerichtete Bewertungskommission festgelegte Punktezahl (C.I.C) aufweisen oder überschreiten, dürfen nicht erlegt werden." Oder dass Jäger in Oberösterreich vor dem Schuss erkennen müssen, ob das Geweihgewicht des Rehbocks über oder unter 300 Gramm liegt? Deshalb dürfen im Winter zwar Rehgeißen erlegt werden, nicht aber Böcke, weil diese das Selektionskriterium, ihr Geweih, schon abgeworfen haben. In ihrer Naturferne den barocken Prunkjagden durchaus ebenbürtig, ist diese geweihfokussierte und diesbezüglich überreglementierte Jagd bei vielen Jäger unbeliebt. Und absurd, führt sie doch zu einer auch von Trophäenjägern "unerwünschten Selektion".

Wald vor Geweihen

Gravierender für uns alle aber ist, dass die peniblen Altersvorgaben nicht nur Geweihfreaks, sondern alle Jäger zu hoher Selektivität nötigen. Das führt zu langen Jagdzeiten und starkem Jagddruck, erschwert eine störungsarme Jagd und behindert eine effektive Regulation des Wildbestands. Deshalb frisst vielerorts zu viel Rot- und Rehwild zu viele Jungbäume und hemmt die dringend nötige Verjüngung des Waldes. Und die Trophäenjagd als Wirtschaftsfaktor mit politischem Einfluss hemmt eine Ökologisierung der Jagdgesetze.

Freilich sind die Erlöse aus der Trophäenjagd für so manchen Grundbesitzer hilfreich, um finanzielle Verluste durch Stürme oder Borkenkäfer zu kompensieren. Doch eben weil waldschädigende Naturereignisse häufiger werden, sind sich verjüngende, struktur- und artenreiche Wälder so wichtig, ja notwendig. Richtiger Altersklassenaufbau? Unbedingt – und zwar vordringlich für den Wald. Denn während ein Wildbestand in zehn Jahren heranwächst, benötigt ein Baumbestand hunderte Jahre. Hirsche brauchen den Wald nicht, sie bevorzugen halboffene Landschaften, auch Jäger brauchen den Wald nicht – aber wir brauchen ihn. Vor allem für Wälder im Besitz der Allgemeinheit (des Bundes, der Städte oder Gemeinden) sollte die nichtjagende Mehrheit der Bevölkerung gemeinsam mit fortschrittlichen Jägern "Wald vor Geweihen" einfordern. Wenn wir den Trophäenjägern schon ihre absurden Verfahren finanzieren, sollten wir nicht auch noch mit der Zukunft des Waldes bezahlen. (Karoline Schmidt, 26.12.2019)

Karoline Schmidt ist Wildbiologin. Sie forscht seit mehr als 30 Jahren im Spannungsfeld Wildtier – Mensch.

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